Geschrieben von Vivian Gläsel

Ich bin Physiotherapeutin seit 2014 und Gründerin von "Funktionelle Fußtherapie Vivian Gläsel". Ich bin Physio, Fußcoachin & Dozentin aus Leidenschaft und helfe Menschen, die Probleme mit ihren Füßen haben, zu einem aktiven und schmerzfreien Leben - ganz ohne Operation.
3. Februar 2021

Der ultimative Guide: Darum ist barfuß laufen gesund

Wann warst du das letzte Mal draußen barfuß laufen? Erinnerst du dich noch, wie weich und angenehm sich dichtes Gras unter Fußsohlen anfühlt? Das Kitzeln und die besonders weichen Stellen, wenn du auf Moos trittst? Oder wie sich der von der Sonne erwärmte Asphalt unter deinen Füßen anfühlt, wenn du langsam darüber gehst? Vielleicht weißt du noch wie es piekst, wenn du über Steinchen oder Stroh gehst? Oder ist es vielleicht schon viel zu lange her…?

Die meisten von uns tragen täglich konventionelle Schuhe, weil wir glauben sie zu brauchen. Das gute Fußbett, oder die Stoßdämpfung, die angeblich die Gelenke schützen soll. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Das ist Bullshit.

Konventionelle Schuhe sind keine Unterstützung für deinen Körper, sondern eher eine Last. Sie verformen deine Zehen und lassen die Muskulatur schwach werden, weil sie in diesen Schuhen weniger arbeiten kann. Das Gute an unserem Körper und unserem Gehirn ist: Wir können verlernte Dinge wieder neu lernen. Das geht am Besten, indem wir neue Routinen schaffen, damit sich der Körper langsam wieder an neue/alte Abläufe gewöhnt. Cool, oder? Genau deshalb ist es möglich, barfuß laufen wieder Schritt für Schritt in deinen Alltag zu integrieren und damit deinem Körper etwas Gutes zu tun.

Barfußlaufen ist für mich ein Lebensgefühl. Gleichzeitig hat es unzählige Vorteile für die Gesundheit. Leider ist es mittlerweile für viele Menschen fast unvorstellbar, sich überwiegend barfuß fortzubewegen. Dabei war das früher unser natürlicher Zustand!
Ich zeige dir heute, warum barfußlaufen gesund ist, wie du es lernen und in deinen Alltag integrieren kannst.

Warum du barfuß laufen solltest – die Vorteile

#1 – Die Zehen werden nicht zusammen gequetscht.

Ich würde behaupten etwa 99% der (nicht angeborenen) Fehlstellungen oder Fehlhaltungen bei Füßen kommen durch falsches Schuhwerk. Seien es Hallux valgus, Fersensporn, Plantarfasziitis, Morton Neurom usw. Ursache dieser Beschwerden sind meist zu schwache Füße. Indem du barfuß läufst, kannst du dieser Schwäche der Muskulatur aktiv vorbeugen. Wenn du schon unter einer ausgeprägteren Form leidest, musst du in der Regel trotzdem nicht mit Schmerzen leben oder dich sogar operieren lassen. Stattdessen kannst du mit aktivem Training deine Füße stärken und sie wieder in die richtige Funktion bringen. Wie das geht zeige ich in meinen Barfußkursen.

Wenn dein Fuß in seiner ursprünglichen Funktion genutzt und somit täglich trainiert wird, hat das Einfluss auf den ganzen Körper. Außerdem kann sich dein Fuß viel besser bewegen, wenn all seine Muskeln in ihm gut trainiert sind. Das erreichst du, indem du barfuß läufst (Tipps für Anfänger findest du weiter unten).
Den Ablauf beim Gehen kannst du dir in etwa so vorstellen: Du trittst auf. Deine Füße senden direkt Informationen über den Untergrund an das Gehirn: „Ist der Boden heiß? Pieksig? Gibt der Untergrund nach? Ist der Untergrund stabil oder unsicher? Flach oder uneben, abschüssig etc.“. Dein Gehirn entscheidet dann, ob es Unebenheiten auszubalancieren gibt, du vorsichtiger gehen musst, oder eine andere Stelle zum auftreten wählen solltest. In konventionellen Schuhen marschieren wir durch die Welt und nehmen all das gar nicht wirklich wahr.

#2 – Beim Barfußgehen werden deine Muskeln und Gelenke adäquat benutzt.

Das hat unter anderem z.B. Vorteile für den Knorpel in deinen Gelenken. Dieser Knorpel lebt von Bewegung! Die Flüssigkeit um das Gelenk muss in Schwung gehalten werden, damit es dem Knorpel gut geht.
Je mehr du also deine Gelenke nutzt, desto besser können sie für dich arbeiten – wenn du sie nicht überforderst.  Zusätzlich wird die Muskelpumpe in Sprunggelenk und Wade mehr betätigt. Das hat vereinfacht gesagt den Vorteil, dass das venöse Blut in deinem Körper besser nach oben gepumpt wird und somit der Rückfluss zum Herzen besser ist. Dein Körper bleibt geschmeidig und beweglich.

Barfuß laufen lernen

Wenn du mehr barfuß laufen möchtest ist es wichtig, dass du deinen Körper langsam daran gewöhnst. Ein Umstieg von jetzt auf gleich kann sehr unangenehm und teilweise auch schmerzhaft sein, denn deine Muskeln sind diese Beanspruchung nicht mehr gewöhnt. Sie lagen vielleicht über Jahre bequem in einem Fußbett, das ihnen jegliche Arbeit abgenommen hat. Deine Füße haben daher wahrscheinlich verlernt, ihre rund 20(!) Muskeln korrekt zu benutzen. Deshalb wird dich evtl. ein fetter Muskelkater erwarten, solltest du zu schnell komplett umsteigen. Stattdessen gib‘ ihnen lieber die Chance, sich langsam ans Barfußgehen zu gewöhnen.

Für den Start empfehle ich dir deshalb unbedingt:

  • Gib‘ dir und deinem Körper Zeit für die Umstellung.
    Für Anfänger*innen empfehle ich max. 30 Minuten täglich. Diese Zeit kann langsam gesteigert werden
  • Starte Zuhause mit Barfußgehen
    Überfordere dich gerade am Anfang nicht mit zu vielen verschiedenen Untergründen. Wenn du Zuhause anfängst reicht das völlig aus
  • Verlängere die Zeit halbstündlich pro Tag
    Solltest du draußen barfuß gehen, dann steigere die Zeit und Distanz nach und nach. Nur so kannst du deinen Körper langsam an diese neue alte Lebensweise heranführen und ihn dabei nicht überfordern
  • Höre auf dein Gefühl
    Wenn du z.B. Schmerzen hast, oder in Eile bist, dann gehe es noch langsamer an. Wichtig ist, dass es Spaß macht und du dich gut dabei fühlst.
  • Trainiere deine Füße
    Das A und O für gesunde Füße sind gut trainierte Muskeln. Um die Gesundheit der Füße zu unterstützen, kannst du deine Füße aktiv trainieren. Wie das unter anderem geht, zeige ich dir weiter unten

Übungen zum barfuß laufen

Die beste Übung ist natürlich das Barfußgehen selbst. Je mehr du es in deinen Alltag integrierst, desto eher wirst du höchstwahrscheinlich positive Veränderungen wahrnehmen. Damit meine ich nicht nur körperlich. Beim Barfuß laufen gehst du in der Regel viel achtsamer, als in konventionellen Schuhen. Du achtest mehr darauf wohin du deinen nächsten Schritt setzt, wie sich der Untergrund anfühlt, wo vielleicht etwas liegt in das du lieber nicht treten möchtest. Besonders beim Spazieren gehen oder auch einfach kurz draußen vor dem Haus kann das sehr entspannend sein, weil es dich vom Kopf in den Moment bringt. Da ist wenig Platz für Kopfkino.

Fragst du dich jetzt, was du tun kannst, um deine Füße bestmöglich auf dem Weg ins Barfuß-Leben zu unterstützen? Dann habe ich 3 meiner liebsten Übungen für dich:

Übung #1 – Die GeckozehenUebung zum Barfußlaufen - die Geckozehen
Eine sehr einfache und wirkungsvolle Übung ist es, deine Zehen so anzusaugen, als wären sie die Tentakel eines Oktopusses. Aber Achtung: nicht krallen, sondern kleine Treppchen bilden! Das aktiviert die Muskulatur, die dein Quergewölbe bildet, die Musculi Flexores Digiti minimi brevis. Diese Übung kann dir also helfen gegen einen Spreizfuß zu trainieren. Du kannst diese Übung beinahe immer machen. Beim Zähneputzen, Duschen, an der roten Ampel etc.

Übung #2 – Gehe so oft wie möglich auf unebenem Boden
„Warum das denn? Ist ja ein seltsamer Tipp“ denkst du dir vielleicht … Jeder Fuß hat im Normalfall rund 20 Muskeln, 33 Gelenke und ca. 114 Bänder! Diese Gelenke wollen sich in all ihren Bewegungsrichtungen bewegen können, das brauchen sie, um ernährt zu werden. Futter für die Gelenke, Muskeln und Bänder ist Bewegung!

Übung #3 – Der große ZehUebung zum Barfuß laufen - Heben der Großzehe
Eine Übung aus meinen Barfußkursen für den CHEF des Fußes: der große Zeh! Leider ist das auch der Part, der am meisten misshandelt wird durchs Tragen konventioneller Schuhe.

Nun zur Übung:
Versuche die kleinen Zehen “anzusaugen” (wie bei den Geckozehen). Der Großzehenballen (Grundgelenk) sollte dabei auf dem Boden bleiben!
Jetzt hebe den großen Zeh des Fußes nach oben. Bleibe geduldig, sollte es nicht klappen! Manchmal dauert es Monate bis man diese Funktion wiedererlangt!

Wenn es gar nicht geht: Stelle dir vor wie die Bewegung geht, mache es immer und immer wieder! Zur Not kannst du auch mit deinen Fingern nachhelfen. Am besten geht das, wenn du die Zehe seitlich greifst! (kleiner Tipp aus der Neurologie) Es gibt da noch ein paar weitere Tricks wie z.B. Reiben oder Klopfen. Alternativ kannst du es im Stehen oder Sitzen versuchen. Noch mehr Tipps und Übungen bekommst du im Barfuß Basics Kurs oder Barfuß Kombikurs.

Aber warum das Ganze? Den großen Zeh differenziert vom Verbund der 4 kleinen Zehen ansteuern zu können ist grundlegend wichtig, um die Muskulatur funktionell zu kräftigen. Denn etwas zu trainieren, ohne dass die Ansteuerung funktioniert, ist langfristig aussichtslos. Logisch oder? Das ist, wie dein Auto ohne Sprit den Berg runterrollen zu lassen, in der Hoffnung, dass die Batterie anspringt… ich sag ja, aussichtslos.

Bonus-Tipp: Einfach machen

Vielleicht einfacher gesagt als getan? Ja, mit Sicherheit. Hier ein paar Tipps wie du trotzdem den Einstieg schaffst:

  • Die Leute werden gucken, ja. Und du kannst einfach zurück lächeln oder es ignorieren. Es hat nichts mit dir zu tun, was Menschen über dich denken und es verändert dich auch nicht.
  • Nimm Back-Up-Schuhe mit, die du anziehen kannst, falls es dir zu unangenehm wird, du Scherben siehst etc. Das wird dich total entspannen, glaub mir!
  • Nichts muss, alles kann. Niemand zwingt dich, du machst es nur für dich. Du musst dich auch niemandem beweisen. Steigere die Barfuß-Distanz langsam um deine Haut und deine Muskulatur an die neuen Herausforderungen zu gewöhnen, auch wenn du schon in BFS unterwegs bist.

Ist barfuß joggen gesund?

Gehen und Joggen sind zwei unterschiedliche Dinge. Ich bin unter anderem ausgebildete Natural Running Coach und bringe Menschen bei, wie sie gesünder, gelenkschonender und effektiver laufen können. Das bedarf eines ganz anderen Gangzyklus, als wir gewohnt sind (Jogging).
Barfuß joggen ist also nur gesund, wenn man es richtig macht. Die Technik ist entscheidend. Und dass man nicht mehr joggen sagt, sondern laufen 😃.

Beim Joggen kommst du mit der Ferse auf und rollst nach vorne ab.
Beim Natural Running ist es genau anders herum. Hier landest du relativ flach mit dem Mittelfuß/ganzen Fuß und die Ferse kommt als letztes auf und küsst den Boden. Und zwar richtig.

Wenn dich das Thema interessiert ist meine unbedingte Empfehlung: Starte mit einem Coach. Ein ausgebildeter Natural Running Coach macht eine Lauftechnik Analyse. Eine Analyse ist ein wichtiger Grundstein für das weitere Vorgehen und das Training. Deshalb suche dir bitte jemanden, der diese Analyse mit dir durchführt und dich im Anschluss begleitet.

Um richtig, effizient und gelenkschonend laufen zu können, brauchst du die richtige Hardware. Damit meine ich einen Körper, der im richtigen Maße beweglich und stark ist. Das betrifft in dem Fall vor allem die Füße und die Beweglichkeit der Hüfte. Unser heutiger Lebensstil nimmt uns diese Fähigkeiten leider größtenteils. Aaaaberr: Du kannst dem aktiv entgegenwirken! Unter anderem indem du obige Tipps befolgst, barfuß läufst und deinen Körper wieder auf den richtigen Weg bringst.

Barfuß laufen ist für mich mehr als ein Lebensgefühl. Es hat so unglaublich viele Vorteile für deine Gesundheit – sofern du es richtig angehst. Ja, du kannst Fehler machen, aber nachdem du diesen Artikel gelesen hast, hast du eine Menge Informationen, die du für den Start ins Barfuß-Leben brauchst.
Wenn du dir Unterstützung und Begleitung wünschst um deine Füße zu stärken, dann kannst du dich hier zu einem meiner Kurse anmelden.

Für noch mehr Tipps und Infos folge mir auf Instagram. Hast du noch Fragen? Dann schreib‘ sie gerne in die Kommentare!

 

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