Knorpel Interview mit Yannis
Knorpel Interview mit Yannis

Geschrieben von Vivian Gläsel

Ich bin Physiotherapeutin seit 2014 und Gründerin von "Funktionelle Fußtherapie Vivian Gläsel". Ich bin Physio, Fußcoachin & Dozentin aus Leidenschaft und helfe Menschen, die Probleme mit ihren Füßen haben, zu einem aktiven und schmerzfreien Leben - ganz ohne Operation.
4. Juni 2021

Was Bewegung mit deinem Knorpel macht

Im heutigen Interview spreche ich mit Yannis über das Thema Knorpel.

Yannis ist mein bester Freund und Medizinstudent. Wir sprechen über meine Favorite Story aus seinem Studium, nämlich die Knorpelzellenstory. Es ist einfach eine meiner liebsten Erinnerungen aus seiner Vorlesungszeit, die ich von ihm mitbekommen habe. Ich finde sie deswegen so interessant und teile sie mit dir, weil sie einfach zeigt, wie wichtig Bewegung ist und wie wichtig auch qualitativ hochwertige Bewegung ist. Das ist ja der Grund, warum und wie ich arbeite.
Viel Spaß beim Interview!

 

 

Vivi: Warum ich dich frage, diesen Podcast mit mir aufzunehmen ist, ich habe so eine ganz schöne Erinnerung an die Geschichte. Zu dem Zeitpunkt hattest du gerade glaube ich Histologie oder sowas, und hast über Knorpelzellen gelernt. Kannst du kurz erzählen, wie das zustande kam und was da passiert ist?

Yannis: Genau, das war im Histologiekurs. Und da ging es neben ganz vielen uninteressanten Sachen eben um Knorpel. Und an dem Tag haben wir irgendetwas über Knorpel gelernt, was mich so fasziniert hat, dass ich dir das erzählt habe. Und du das so faszinierend fand, ist, dass wir jetzt, dreieinhalb Jahre später hier sitzen und da wieder drüber quatschen.

Vivi: Genau da ging es um Knorpel. Wie Knorpel aufgebaut ist im Prinzip, oder?

Yannis: Ja, darum gar nicht so arg, sondern einfach wie das Knorpelgewebe aufgebaut ist, das ja aus vielen Knorpelzellen besteht und aus der Matrix die zwischen diesen Knorpelzellen sich befindet und von den Knorpelzellen produziert wird.

Vivi: Okay und wir wollen es jetzt versuchen so hin zu erklären, dass andere Menschen, die nicht Medizin studiert haben und keine Physios sind, das verstehen. Weil unser bigger Picture ist, zu vermitteln, wie wichtig Bewegung ist. Wir wollen verständlich machen, wie ein Knorpel funktioniert.

Knorpel ist über jedem Gelenk und schützt sozusagen das Gelenk. Wie der Knorpel ernährt wird, dazu  kommen wir später. Aber im Prinzip, wenn man zum schwäbischen Dorfarzt geht und man kommt mit dem Röntgenbild zurück und, sagt: “Bei mir isch Knoche auf Knoche”, dann hat man eine Arthrose. Also Arthrose ist quasi der Gelenkverschleiß und Gelenkverschleiß ist im Prinzip, wenn Knorpelewebe sehr zurückgegangen ist, abgebaut ist und so weiter.

Ich kann mich erinnern, du hast mir das erzählt und ich war ultra begeistert, weil es da um ganz viel Bindefähigkeit von Wasser ging und ich mir das einfach so krass bildlich vorstellen konnte von deiner Erzählung. Was passiert in diesem Knorpelzellengewebe?

Yannis: Der Knorpel überzieht die Knochen an den Stellen, also an den Gelenken, wo sonst Knochen auf Knochen reiben würde. Das wäre eher ungünstig. Und da gibt es eben dann Gelenkknorpel. Der Gelenkknorpel besteht aus Zellen. Die Zellen sind eingebettet in so eine Matrix und die Matrix, oder der Inhalt dieser Matrix, wird von den Knorpelzellen selber produziert. Und da gibt’s eben einen Stoff, oder eine Stoffgruppe, die da ganz wichtig ist. Das sind die Glykosaminoglykane. Das ist ein kompliziertes Wort, aber im Prinzip kann man sich das vorstellen wie große Moleküle. Die kann man sich tatsächlich ganz gut bildlich vorstellen wie eine Sprungfeder, wie eine Spirale. Und überall an der Spirale sind kleine negative Ladungen. Und dadurch würde sich alleine schon weil sich diese ganzen Moleküle gegenseitig abstoßen würden, hat der Knorpel oder die Knorpel Matrix schon das Bedürfnis quasi sich auszudehnen und steht deshalb schon so ein bisschen unter Spannung.

Man kann sich den Knorpel vorstellen wie so ein pralles Kissen. Und zusätzlich besteht diese Matrix zu 80 Prozent aus Wasser. Und dieses ganze Wasser wird da drin gehalten durch vor allem Hyaluronsäure. Und das ist ja ein Molekül, das man mittlerweile jetzt ganz gut kennt aus Kosmetika und Augentropfen. Das ist ein Stoff der mich damals so fasziniert hat, weil er eben durch diese ganzen negativen Ladungen zieht der positiv geladene Ionen an. Also z.B. Natrium. Und Natrium, das wissen wir, Salz zieht Wasser an. Deswegen können diese Moleküle unglaublich viel Wasser speichern. Und ich glaube, ein Gramm Hyaluronsäure kann bis zu 6 Liter Wasser binden. Das finde ich auch richtig verrückt, weil es ist ein winzig kleiner Haufen an Material und du kannst quasi 6 Liter Wasser drauf schütten und es ist nachher eine quallenartige Gallertmasse.

Vivi: Das ist voll krass. Jetzt gerade hatte ich so einen Flashback an einen Frankreich Urlaub. Entweder hab ich da Bio gelernt oder ich war schon in der Ausbildung und hab eben genau sowas gelernt. Da hatten wir es von osmotischem Druck. Mein Onkel ist Biologie Professor gewesen, Oberstudienrat und er war einfach so krass begeistert von diesem osmotischen Druck und hat mir das dann bildlich erklärt vom Salat mit der Salatsauce.

Wenn da das Salz von der Salzsauce auf den Salat wirkt. Dann, wie du gerade gesagt hast, das Salz zieht dann quasi das Wasser aus dem Salat. Deswegen wird der matschig und die Salatsauce wird mehr sozusagen. So passiert es ja auch zum Beispiel mit Kirschen, die superreif sind, am Baum hängen und dann kommt plötzlich Regen und das Wasser von außen hat einfach weniger Zucker in dem Fall, als in der Kirsche drinnen ist, deswegen platzt die auf. Dann gleicht sich die Spannung  quasi wieder aus den Zellen.

Zum Glück gibt’s nicht im Knorpel! Stell’ dir mal vor… Das passiert zum Glück nicht. Aber was braucht denn der Knorpel? Also hat er z.B. ne eigene Blutversorgung, über die er ernährt wird?

Yannis: Genau, die eine Besonderheit von Knorpelgewebe ist, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Geweben nicht per Blut versorgt wird, aber trotzdem Stoffwechsel betreibt. Knorpelzellen betreiben jetzt zwar keinen hochgradigen Stoffwechsel mehr und teilen sich auch nicht mehr so wahnsinnig viel. Das aber so ein bisschen Grauzone in der Wissenschaft, man weiß es nicht ganz genau, ist Knorpel wirklich zur Regeneration fähig oder nicht? Aber ich glaube, wenn überhaupt, dann in geringem Maß. Aber auf jeden Fall betreiben diese Zellen Stoffwechsel und stellen ja auch eben genau diese Moleküle, von denen wir  es gerade hatten her.

Diese Zellen müssen natürlich dementsprechend auch mit Nährstoffen versorgt werden und ihre Abfallprodukte irgendwie loswerden. Wenn man sich jetzt den Knorpel wie so ein prall gefülltes Kissen vorstellt, auf  den Knochenflächen, wo die Knochen aufeinandertreffen.

Vivi: Oder vielleicht wie so ein Luftballon mit Wasser gefüllt? Kann man das auch nehmen als Bild?

Yannis: Ja, genau so ein Wasserballon. Aber wenn der zusammengedrückt wird. Flüssigkeit ist ja nicht kombinierbar, dann drückt es immer ein bisschen Wasser aus diesen Knorpel raus und wenn er wieder entlastet wird, dann saugt er sich wieder voll.

Vivi: Quasi wie ein Schwamm, wie ein Luftballon-Schwamm.

Yannis: Genau. Ein sehr fester Schwamm, der sich auch nicht endlos ausquetschen lässt. Irgendwann sind dann diese Poren, durch die das Wasser rauskommt, so klein durch den Druck, dass das Wasser dann nicht mehr rauskommt. Dann ist der Knorpel eben maximal komprimiert. Und wenn man dann wieder entlastet, dann zieht er sich wieder neue Flüssigkeit rein und so findet eben Nährstoffaustausch im Knorpel statt. Was ja auch unser Punkt ist, warum Bewegung und Belastung für Knorpel eben absolut lebensnotwendig ist.

Vivi: Weshalb es auch eine extrem dumme Idee ist, sich mit Arthrose nicht mehr zu bewegen, sondern sich zu schonen.

Yannis: Genau. Generell kann man das so sagen. Ich glaube, man muss noch den Unterschied machen zwischen Arthrose haben und eine aktivierte Arthrose haben ist ja noch mal ein Unterschied. Also wenn es gerade akut in der Entzündung ist, geschwollen ist, rot ist, weh tut und so weiter, dann ist Schonen und Kühlen auf jeden Fall das Richtige. Man muss glaube ich generell, ist ja auch klar, auf jeden Menschen einzeln gucken: welche Sportart, wieviel wiegt der Mensch…

Vivi: Was hat er für ein Ziel überhaupt und was für Anforderungen.

Yannis: Also man kann auch nicht jedem mit Arthrose sagen: “Geh’ am besten Marathon laufen”. Das wäre auch dumm.

Vivi: Natürlich kommt es auch auf die Art von Bewegung und die Qualität der Bewegung an. Aber grundsätzlich zu sagen: “Mit Arthrose muss man sich schonen” ist grundsätzlich falsch.

Der Knorpel, der ja das ganze Gelenk quasi überzieht, zumindest an den Stellen, an denen das Gelenk auch einen Gelenkpartner hat und sich da bewegen soll. Da ist natürlich auch wichtig, den Knorpel ganzheitlich zu bewegen. Und wir leben ja in einer relativ linearen Welt. Wir machen viel einfach nur in der Achse hinsetzen und aufstehen. Wir haben wenig Rotationen im Alltag, in unserem Leben, das einfach durch Stühle geprägt ist. Und die ganzen Rotationen und auch viele einbeinige Geschichten und asymmetrische Geschichten und Belastungen werden nicht so viel gemacht. Was aber zu einer qualitativ hochwertigen Bewegung und zu einer großen Bewegungsvarianz beitragen würden.

Und diese Bewegung ist einfach ultra wichtig, damit der Knorpel nicht nur z.B. in dem Bewegungs Spektrum vom Knie, wenn wir jetzt mal das nehmen, dass ein Scharniergelenk ist. Das heißt, es funktioniert im Prinzip wie eine Tür. Es kann auch ein bisschen Rotation, aber hauptsächlich kann es eben nur Schanier-Extension und  -Flexion, das heißt beugen und strecken. Genau, und wenn man das nur nutzt, um sich hinzusetzen und aufzustehen. Das heißt nur beugt und streckt, es aber eigentlich ja noch ein bisschen drehen kann, dann vernachlässigt man einfach total auf dieses Drehen.

Und abgesehen davon, dass diese ganzen Bewegungen ja auch gut beübt werden sollten und weil Belastung essentiell ist, um den Knorpel zu halten und um des Gelenk gesund zu erhalten ist es wichtig, dass man sich ganzheitlich gut bewegt.

Yannis: Da weißt du jetzt auf jeden Fall mehr drüber als ich, was die richtigen Bewegungsformen usw. sind. Aber genau, kann ich so auf jeden Fall unterschreiben. Und auch wenn man eine beginnende Arthrose hat, oder.

Die allermeisten Menschen kriegen im Verlauf ihres Lebens eine Arthrose, wenn sie alt genug werden. Das ist auch eine ganz normale Sache, dass der Gelenkknorpel sich abnutzt. Mittlerweile werden wir einfach extrem alt und dafür ist er auch nicht ausgelegt. Vor allem nicht in den Gelenken wie Hüfte oder Knie, die so eine starke Belastung haben. Aber gerade wenn man da eine beginnende Arthrose hat, ich glaube bei 30- bis 40- jährigen sind es schon 10 Prozent der Menschen, oder? Ich weiß nicht, ob du da noch irgendwie Zahlen kennst.

Vivi: Zahlen gar keine. Aber das Kniegelenk besteht ja nicht nur aus Unterschenkel und Oberschenkel, sondern auch aus der Kniescheibe, die auch mit dem Oberschenkel eine Gelenkpartnerschaft eingeht. Und da haben ganz viele, einfach weil da auch viel Druck herrscht, haben viele schon in ihren Dreißigern irgendwelche Störgeräusche wie Knirschen.  Das ist vollkommen normal. Ich habe das auch und ich bin noch nicht mal 30.

Yannis: Genau, dass man auch im Röntgenbild sehen kann, dass der Gelenkknorpel teilweise irgendwie Risse hat, oder wie auch immer abgenutzt ist usw. Und dass man da eben nicht den Trugschluß zieht, mein Gelenkknorpel ist ja schon irgendwie stark beansprucht. Ich muss mich jetzt schonen. Ich muss jetzt anfangen, die Beine hoch zu legen und mich nicht mehr viel zu bewegen. Das ist genau das Falsche, weil Immobilisation ist Gift für den Knorpel. Dann wird er seine Giftstoffe nicht mehr los und kriegt keine neuen Nährstoffe mehr.

Vivi: Ja, generell, also nicht nur für den Knorpelstoffwechsel, sondern für den gesamte Lymph- Blut-Stoffwechsel ist es essenziell, dass man sich bewegt und überall wieder neuer Sauerstoff oder adäquater Stoff hinkommt.

Ja, vielen Dank, dass du das für uns nochmal aus deinem Gehirn rausgekramt hast. Du hast auch eine Studie rausgesucht, die wir dann verlinken können, oder?

Yannis: Ich habe eine rausgesucht. Also das ist eine Studie, in der einfach nur offensichtlich wird, dass Bewegung dem Knorpel gut tut. Aber ich meine, davon gibt’s Studien genug. Aber ich habe eine rausgesucht, die man hier verlinken kann.

Vivi: Based on what? Das ist ein kleiner Insider, der sich bei uns seit vielleicht zwei Wochen etabliert hat, dass man einfach so ein bisschen kritisch hinterfragt, auch im Alltag: Auf was basiert überhaupt deine Aussage? Deswegen schreien wir ab und zu: BASED ON WHAT?

Ich hab vorhin noch einen Fragen in meiner Instagram-Story geteilt, wo ich gefragt habe, ob Leute Fragen an einen Medizinstudenten haben. Ich weiß nicht, ob du Bock hast die zu beantworten?

Yannis: Ich kann es auf jeden Fall versuchen.

Vivi: Die erste Frage wäre, und die gibt’s gleich öfters: Wie viel lernt man über Ernährung im Medizinstudium?

Yannis: Also das, was angeboten wird, finde ich viel zu wenig. Es gibt, glaube ich so einen Nebenfach-Block. Irgendwie alternative Heilverfahren und Ernährungsmedizin. Aber es ist wirklich ein ganz, ganz ganz kleiner Bereich und ich finde viel zu wenig. Da muss man dann selber aktiv werden, aber wenn man sich dann nur auf das Angebot von der Uni bzw. in meinem Fall der Uni Köln verlässt, dann viel zu wenig bis gar nichts.

Vivi: Pommes ist Kartoffel ist Gemüse ist gut, Gemüse ist gesund.

Yannis: Es kommt natürlich auch immer auf die Profs an. Ab und zu fließt was mit ein. Aber wie wichtig Ernährung wirklich ist und so, das wird nicht transportiert.

Vivi: Ich habe eine Frage, bei der ich wahrscheinlich schon weiß, wie du darauf antwortest, aber vielleicht auch nicht. Warum müssen sich Mediziner:innen ihren Patient:innen gegenüber immer so fachmännisch ausdrücken?

Yannis: Ja, das ist auf jeden Fall so. Ich will es auch gar nicht leugnen. Ich glaube, das hat wahrscheinlich viel mit zwei Dingen zu tun. Das eine ist wahrscheinlich Unsicherheit. Dass man glaubt, wenn man Mediziner ist, erwarten die Leute von einem, dass man extrem souverän auf alles antworten kann und über alles Bescheid weiß. Um dem Anspruch gerecht zu werden, versucht, möglichst viele Fachbegriffe zu verwenden um Kompetenz auszustrahlen, weil man findet, dass das von einem erwartet wird.

Und das andere ist, das hängt wahrscheinlich beides miteinander zusammen, das man eigentlich ungern zugibt, wie wenig man weiß. Also dass vieles einfach, auch Dinge, die als Konsens gelten, einfach relativ unklar sind. Und das macht einen als Mediziner glaub ich unsicher. Deswegen rutscht man wahrscheinlich schnell in so eine sehr kompetente Ausdrucksweise, die dann fachmännisch wirkt.

Das sind zumindest meine Interpretationen, warum es so ist. Ich hoffe, dass es mir jetzt nicht so oft passiert, aber bestimmt ist es mir während dieser Podcastfolge schon 15 mal passiert.

Vivi: Alleine als du das Wort Matrix genannt hast. Also Matrix ist natürlich kein medizinisch geprägter Begriff. Aber unter Matrix versteht man sowas wie ein Netz oder Netzwerk oder sowas zusammenhängendes.

Yannis: Ja, ne Matrix ist. Was versteht man darunter? Ein dreidimensionaler Raum quasi der einen Inhalt hat. Ich weiß es noch nicht. Keine Ahnung. Aber das ist mir vorhin auch schon aufgefallen bei dem Erklären auch über das Hyaluron und so. Wie stockend ich das erkläre, weil ich die ganze Zeit überlege wie ich das formulieren kann.

Vivi: Ja, ja. Also ich denke, das wäre auch mein Tipp gewesen, weil mir das natürlich selber auch passiert. Warum ich mich leichter tue, mich fachmännisch auszudrücken. Weil vieles im Lateinischen einfach sehr viel einfacher als auszudrücken. Oder was heißt im Lateinischen, eher in diesen schon geprägten Begriffen. Das ist wie so eine zweite Sprache, in der man das halt auch gelernt hat.

Yannis: Genau. In der Sprache hat man es gelernt und dann kommt es einem auch einfach extrem präzise vor. Aber während man darüber redet und sich im Hinterkopf denkt, da sitzt jetzt niemand, der in dem Bereich unterwegs ist, dann weiß ich nicht, ob ein Web-Designer, dem die Knie manchmal wehtun, und man fängt an, über diesen Kram zu reden. Dann, fällt einem erst einmal auf, wie weit weg das ist von den Leuten, die es eigentlich angeht.

Vivi: Und die Person, die nichts davon versteht, die nimmt das ja nicht als präzise wahr. Das ist ein Punkt, wo Weißkittel Menschen glaube ich mehr Schritte auf Normalos zugehen können. Und was das Thema Nocebos angeht, also das Aussprechen von irgendwelchen unfassbar schädigenden Worten, die unnötig sind. Das ist auch ein großer Punkt. Also Patientenkommunikation ist einfach ein Feld, da kann sich noch viel tun. Sagen wir es mal so.

Okay, next question wäre: Wie viel lernt man im Medizinstudium über Bewegung? Es ist wahrscheinlich etwas anderes, wenn man sich jetzt für Orthopädie mehr spezialisiert?

Yannis: Ja, also ich bin jetzt ehrlich gar nicht so der Bewegungsapparat Mensch, was die Fachrichtung angeht, die mir vorschwebt. Ich glaube, da kann man viel mehr drüber lernen, als ich das getan habe. Aber dass man jetzt irgendwie nicht im Sinne von Kursen, dass man das am eigenen Körper erfährt, über Bewegung oder so, hat nicht stattgefunden. Ich meine, dass man regelmäßig eingetrichtert kriegt, wie schädlich Übergewicht ist und wie wichtig Bewegung ist und Sport und so. Das ist schon so. Aber dass man da irgendwie differenzierter in Bewegung reingeht, welche Art von Bewegung und so weiter hat nicht stattgefunden.

Vivi: Okay. Noch eine Frage wäre: Was hat dir im Medizinstudium inhaltlich gefehlt bisher?

Yannis: Was mir inhaltlich bisher gefehlt hat? Oh Gott, ich glaube, da könnte ich jetzt ganz, ganz viel aufzählen. Ich finde eigentlich den Punkt Ernährung, das war schon ein ziemlich wichtiger Punkt und von diesen Punkten gibt’s halt wahnsinnig viele, die irgendwie extrem wichtig und wichtig sind und nicht so wirklich thematisiert werden.

Das nächste ist bestimmt Arzt-Patienten-Kommunikation. Obwohl das schon thematisiert wird, finde ich. Aber da könnte mehr passieren. Ach Gott!

Vivi: Prävention bei so verschieden Themen?

Yannis: Ja, Prävention auf jeden Fall. Genau, in den unterschiedlichsten Fachbereichen. Weil wir eben bei ganz, ganz vielen Krankheiten oder bei den allermeisten Erkrankungen, die jetzt in unserer Welt so eine wichtige Rolle spielen, die nicht infektiös sind, zumindest die Ursache einfach gut kennen.

Vivi: So Wohlstandskrankheiten?

Yannis: Ja genau, eine Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, KHK, also koronare Herzkrankheit.

Vivi: Aber das ist auch kein deutscher Begriff, den man versteht.

Yannis: Nee, also verkalkte Arterien am Herzmuskel. Die dann zu Herzinfarkten führen. Und all diese Erkrankungen, da weiß man ja eigentlich, wo die herkommen und könnte vielleicht mehr Energie darauf verwenden, präventiv tätig zu werden, als immer nur darauf zu reagieren.

Aber es gibt auch ganz viele Dinge, die thematisiert werden, die auch wichtig sind und so. Was mir sonst noch gefehlt hat. Keine Ahnung. Es gibt so viele Bereiche irgendwie, auf die man hätte eingehen können. Schlaf, so gewisse alltägliche Dinge.

Vivi: Biohacking. Licht, Schlaf, Ernährung, Kältetherapie?

Yannis: Wobei es ja auch irgendwie so ein bisschen nach eigenen Fachkreisen geht, mit alternativer Medizin und so. Ich glaube, wenn man wirklich Bock auf solche Dinge hat, dann findet man die auch im Studium. Dann findet man auch Angebote dafür. Genau.

Vivi: Was fandest du denn besonders geil? Kann man das so jetzt schon sagen? Nach viereinhalb Jahren?

Yannis: Also in der Vorklinik, also in den ersten zwei Jahren vom Studium, wo man nichts mit kranken Menschen zu tun hat. Zwei Jahre vom Studium sind ja sich nur anzuschauen: Wie ist der Körper eigentlich aufgebaut, wie funktioniert er, wenn er normal funktioniert? Also Grundlagen von Chemie und Physik und Biologie und dann eben die Anatomie. Und da hat mich natürlich am meisten geflasht die Anatomie. Da geht man dann auch in den Prepkurs und schneidet eben tote Körper auf. Also Menschen, die ihren Körper gespendet haben und schaut sich das alles sehr, sehr detailliert an. Also Anatomie hat mich in der Vorklinik am meisten begeistert. Und in der Klinik, die Innere Medizin auf jeden Fall. Innere Medizin und Psychosomatik.

Vivi: Ich wollte gerade auch auf PNI hinweisen. Das steht für Psyche und Neuro-Immunologie. Also dem Zusammenhang zwischen der Psyche und im Prinzip die Verbindung zwischen dem, was psychisch abläuft und was sich immunologisch zeigt.

Yannis: Genau, und das eben über dieses Zwischending noch Neuro-, also Psycho-Neuro-Immunologie. Genau, die Inhalte der Psyche, also unser Erleben, jetzt mal ganz plakativ Stress oder Angst, wird natürlich viel erforscht. Aber da geht’s auch um so Sachen wie Glück, Spiritualität, eine Sinnhaftigkeit in seinem Leben sehen, solche Dinge eben. Irgendwelche Faktoren, die im psychischen Erleben stattfinden. Und dann schaut man, wie die sich neuronal auswirken, also was das mit Nervenzellen in deinem Gehirn macht. Und das ist ja so ein bisschen Henne und Ei, was ist zuerst da die Nervenaktivität und dann mein psychisches Erleben oder mein psychisches Erleben und das wirkt dann auf mein Gehirn. Und wahrscheinlich ist es irgendwie beides.

Aber auf jeden Fall hat man rausgefunden, dass Nervenzellen aus dem Gehirn direkt auf Immunzellen wirken und auch noch zwischengeschaltet über Hormone, wie vor allem Cortisol, das Stresshormon. Und wie das dann auf das Immunsystem wirkt und da auf die unterschiedlichsten Dinge von Wundheilung, über Anfälligkeit für Erkältungsviren, zu Krebsentstehung. Dass das alles durch Inhalte der Psyche beeinflusst werden kann oder beeinflusst wird. Definitiv. Das ist man da am Rausfinden in dem Gebiet und das ist super spannend.

Vivi: Ja ultra spannend. Ich finde das auch mega geil, dass du da so ein kleines Faible dafür entwickelt hast. Ich denke, das ist ein Teil der zukünftigen Medizin. Dass man das mehr beachtet, was abgeht in der Psyche der Menschen.

Und das ist auch ein Teil warum mein Konzept, ich da haben wir noch nie drüber gesprochen, aber das ich mein Konzept versuche in meinem Möglichkeiten so ganzheitlich wie möglich zu machen, weil ich eben der Überzeugung bin, dass Gesundheit nicht nur davon abhängt, ob man gerade keine Schmerzen hat oder nicht, oder ob anatomisch, orthopädisch alles korrekt ist. Sondern dass Schmerzempfinden natürlich ganz viel mit Stress und Stressmanagement und Empfinden dazugehört.

Yannis: Genau. Das ist ja auch ziemlich intuitiv. Eigentlich. Also jeder kennt es aus dem Alltag, dass wenn man einen Scheißtag hat, gestresst ist oder einen irgendwas traurig macht oder fertigmacht oder wie auch immer, dass sich dann Dinge, auch Beschwerden, die man vielleicht sonst auch hat, viel, viel schlimmer anfühlen. Das man Kopfschmerzen als viel, viel unerträglicher empfindet, als wenn man an einem Tag, wo es einem gut geht und wo alles irgendwie passt und Sinn ergibt, dass sich das einfach anders anfühlt und dass man auch durch lange Stressphasen und so anfälliger mit wird für Infekte.

Vivi: Genau, dass man sich gesünder fühlt, wenn es einem gut geht und dass man generell Dinge als schwerer und nicht so schön empfindet, wenn es einem eben über lange Perioden oder aber nur kurz nicht so geil geht.

Yannis: Genau. Wer da Bock drauf hat, wen es interessiert. Ich kann da nur empfehlen. Im deutschsprachigen Raum gibt es in Innsbruck so einen Professor, Christian Schubert. Der leitet da das Institut für Psycho-Neuro-Immunologie, glaube ich. Das heißt einfach so. Und der hat viele Vorträge auf YouTube und so, der hat auch ein Buch geschrieben oder mehrere Bücher geschrieben und die sind auch einfach für Menschen richtig, richtig interessant und cool, die nicht irgendwo im medizinischen Bereich abhängen. Super eindrückliche Vorträge. Da kriegt man so einen Geschmack für das Fach. Über den hab ich da auch so die Begeisterung gefunden für das für das Fach.

Vivi: Ja, cool. Vielen Dank!

Yannis: Ja. Vielen Dank fürs Einladen. Auch wenn wir in meiner Küche sitzen. Ich hoffe, ich konnte das eine oder andere erläutern. Ohne Weißkittel-Sprech.

Vivi: Die Message rüberbringen wollen: Bewegt euch! Und wenn ihr Schiss habt, irgendwas falsch zu machen, es ist falscher, einfach auf dem Sofa zu sitzen, aus Angst sich falsch zu bewegen. Es ist einfach nice wenn man rausgeht, sich ein bisschen bewegt und das tut, was man so für richtig hält.

Yannis: Ja genau. Und immer ein bisschen mit Auge natürlich. Bleibt ruhig auch mal liegen. Aber so generell ist Bewegung super. Immer schön angepasst auf die eigenen Möglichkeiten, Bedürfnisse.

Vivi: Ich hoffe das Thema war für dich genauso interessant wie für mich, und dass du einiges mitnehmen konntest. Wenn du Bock hast auf noch mehr Tipps und Infos zu spannenden Themen, dann folge mir gerne auf Instagram. Alle Infos zu meinen aktuellen Kursen findest du hier! Und wenn du noch Fragen oder Anregungen hast, hinterlasse mir hier einen Kommentar.

Viele Grüße an die Füße,

Vivi

 

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